Montag, 6. April 2009

Gran Torino (2008)


Der immerzu grantige und nie ganz durchschaubare Sturkopf steht ihm aber auch so gut. Wenn Clint Eastwood in seinem neuen Film „Gran Torino“ mit der Figur des eisenhart-renitenten Kriegsveteranen Walt Kowalski einen weißen, vorurteilsbehafteten Stereotyp amerikanischen Vorstadtbürgertums mimt, macht einem eigentlich nur eine Sache Angst: Die Altersflecken eines der besten Schauspieler der letzten 50 Jahre und Schaffer herausragender Filme in den vergangenen zwei Jahrzehnten werden immer größer. Schon nach seinem 2004er Übererfolg „Million Dollar Baby“ ließ es Großmeister Eastwood offen, jemals noch einmal vor der Kamera zu stehen. Nicht nur das Alter sei das Problem, sondern auch das Finden einer Story mit passendem Charakter.
Gut, dass er sich mit seinen 78 Jahren scheinbar doch noch nicht zu alt fühlt. Und die Rolle scheint ihm auf den Leib geschnitten.
Walt Kowalski lebt nach dem Tod seiner Frau ein einsiedlerisches Leben in einer amerikanischen Vorstadt, immer ein eisgekühltes Bier und eine geladene Waffe im Haus. Seine Söhne hält er für nervige Versager, die sein Ableben herbeisehnen und nach seinem Besitz trachten. Die einzige Verbündete des über und über mit festgefahrenen Vorurteilen behafteten Misanthropen ist Hündin Daisy, und wenn Kowalski sozialen Umgang zelebriert, dann schaut er bei seinem Friseur vorbei, lässt sich die Haare ‚wie immer‘ schneiden und tauscht Schimpfwortkaskaden aus, weil das richtige Männer so machen. Dem jungen Pfarrer der Stadt (Christopher Carley), der Walts Frau nach deren Tod versprochen hat, sich um ihren Mann zu kümmern, zeigt er die kalte Schulter: Jeden Versuch des jungen Mannes, mit ihm seine Verfehlungen und Kriegstraumata aufzuarbeiten, blockt Kowalsky ab. Doch die Zeit überholt den alten Mann und zwingt ihn, seinen Horizont neu auszuloten. Eine Hmong-Familie aus Südostasien zieht im Haus nebenan ein. Und die „verdammten Schlitzaugen“, sie erweichen das Herz des anfangs übermißtrauischen Alten mit ihrer Gastfreundschaft, gutem Essen und ihrer nie ins Wanken geratenen Freundlichkeit. Nicht nur zwei Völker, auch verschiedene Generationen prallen hier aufeinander. Während Oma Hmong dem alten Amerikaner von nebenan sehr mißtrauisch gegenüber steht, klärt die Tochter Walt unter anderem über die tatsächliche Rolle ihres Volkes im Vietnam-Krieg auf. Im Gegenzug mimt Walt den Beschützer und macht den beiden Teenagern klar, dass man sich in einem Viertel, in dem es nur so vor Kleingangstern wimmelt, nicht unterkriegen lassen darf. Vor allem zu dem jungen Tao (Bee Vang mit seinem professionellen Schauspieldebüt), der mittendrin ist auf der Suche nach seiner Männlichkeit, entwickelt sich ein für beide Seiten fruchtbares Freundschaftsverhältnis. Als es zum Konflikt zwischen Tao und dessen Cousin, Anführer einer eben solchen Kleingangster-Gang, kommt, schaltet sich Walt auf seine Art ein. Die Situation eskaliert.
Über all diese Ereignisse wacht der perfekt gepflegte alte Gran Torino des Ex-Fordarbeiters Kowalski. Als beinahe abgehobenes Ding-Symbol funktioniert er als Wegbereiter, stiller Begleiter und unausweichliche Verbindung einer Story, die sich auf äußerst angenehme Weise stereotypisch ausgelösten Kultur- und Generationenkonflikten annimmt. Mit einer ordentlichen Portion Witz und übertriebener Schubladen-Darstellung schafft es der Film, den Zuschauer immer wieder zum Lachen zu bringen, dabei aber nie die Ernsthaftigkeit der problematisierten rassistischen und entwicklungspsychologischen Konflikte des melting pots einer amerikanischen Vorstadtsiedlung aus den Augen zu verlieren. Glänzend aufgelegt und sich durch seine Rolle auch immer wieder selbst karrikierend präsentiert sich Herr Eastwood, dessen one-man-show allerdings zur Folge hat, dass die restliche Besetzung eher blass bleibt. Nur der 72er Gran Torino strahlt am Ende der Geschichte, nach der nichts mehr so ist, wie es einmal war, noch genauso wie am Anfang. Und wenn in der Schlusssequenz der junge Tao an dessen Steuer sitzt, wird klar, dass die Werte, die dieses Fahrzeug einmal symbolisierte und die Zeit, für die es einstand, längst überholt sind. Und werden müssen.

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